STUCKVERZIERUNG IN ZAHOŘANY/Zahorzan BEI LITOMĚŘICE/LEITMERITZ
Vít Honys
Stuck stellt eine spezifische Form eines edlen Maueranwurfs dar, der für Dekorationszwecke schon seit dem Altertum genutzt wird. Nach dem Rückgang des Interesses für diese Technik im Mittelalter, was im mitteleuropäischen Raum auch durch die Abnahme der Ressourcen an Marmormehl in den verlassenen antiken Steinbrüchen verursacht wurde, kam es zur Wiederbelebung in der Zeit der Spätrenaissance. Die Wiederentdeckung der Denkmalruinen des antiken Rom führte auch zu Entdeckung ihrer Stuckdekorationen. Bei den Untersuchungen, die Giovanni da Udine durchführte, wurde die ursprüngliche Zusammensetzung der Stuckmasse wiederentdeckt. Dies ist Kalk mit einer Beimischung von Marmormehl, beziehungsweise kristalliner Kalkstein, Flusssand und Wasser. Die relative Erschwinglichkeit, Leichtigkeit und Formbarkeit dieser Masse führte zur Erweiterung dieser Technik für eine dekorative Verfeinerung der Architektur, und zwar auch in den Gebieten nördlich der Alpen. Große Verdienste um ihre Verbreitung in der mitteleuropäischen Gegend und weiter auf das Gebiet Polens und Litauens erwarben sich vor allem wandernde Kunsthandwerker aus der Gebirgsgegend um die heute norditalienischen Seen (Como, Ticino u.a.), deren Gemeinschaften bis tief in die Zeit des Barock das Monopol für die Realisierungen dieser Dekorationsart hielten.
SCHLOSS
Die zeitlich älteste Stuckverzierung des Gewölbes im Erdgeschoss des Südflügels des Schlosses Zahořany/Zahorzan stellt eine der Nutzungsformen der Stuckdekorierungstechnik in Form der sog. gegenläufigen Stuckrahmen dar. Die Technik entstand in der mitteleuropäischen Spätrenaissance, sie kann ungefähr seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts bis tief in das 17. Jahrhundert datiert werden. Sie gestaltet gemeinsam verbundene geometrische Muster aus dekorativ gefassten plastischen Stuckleisten oder Streifen, die ursprünglich vor allem die Gewölbekanten oder Bänder betonten, sich mit der Zeit aber in eine spezifische Teilung ausgedehnter Gewölbeflächen ausbreitete. Ihre Raster stellen eine üblicherweise eigenständige rustikalisierte Form dar, in der wir nur entfernt die Antik- oder Renaissancevorlagen für die Teilung von Kassettendecken ahnen, die vor allem in dem theoretischen Werk von Sebastian Serli präsentiert werden. Die größte Erweiterung erreichten sie in Mähren, auf dem Gebiet von Polen und Litauen. In Nordböhmen sind sie, vielleicht im Hinblick auf das Überdauern der der Gotik nachempfundenen Steinelemente in der sog. Sächsischen Renaissance relativ selten.
Bekannt sind sie aus dem Inneren der Schlösser in Chomutov und Klášterec nad Ohří. Die gegenläufigen Stuckrahmen in Zahořany/Zahorzan, überwiegend in Form von Hexagonen mit Anwendung vor allem des sich wiederholenden Motivs eines beschlagenen Dekors – sog. Beschlagwerkes, in Kombination mit Rosetten, stellen trotz einer deutlichen Rustikalität, die sich vor allem in der Unregelmäßigkeit der Muster ausdrückt, ein weiteres, bis jetzt fast unbekanntes regionales Nutzungsbeispiel dieses Prinzips dar. Das Prinzip verbindet sich sogar mit einem archaisierenden Relikt einer anthropomorphen Konsole in Form eines rustikalisierten Kopfes und zugleich mit dem progressiveren plastischen Element einer flachen in einer Muschel gipfelnden Nische. Die Entstehung dieser Stuckverzierung können wird wahrscheinlich erst im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts voraussetzen. Ihre Modellierung und wahrscheinlich auch ihre ursprüngliche Farbigkeit wird aber von weiteren Schichten des Kalkanstrichs etwas verdeckt.
Ein sehr hochwertiges Beispiel eines Hochbarockstucks ungefähr aus den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts stellt im Weiteren die Verzierung der Decke des Rittersaals im ersten Obergeschoss des Ostflügels dar, die die Außenfläche rund um den ursprünglich für eine Deckengemälde bestimmten Zentralspiegel ausfüllt. Das Dekor ist mit einem eckigen Stuckrahmen mit massiver Profilierung und einer subtileren in den Ecken ausgeschnittenen Umrahmung begrenzt. Diese Fläche ist in den Ecken mit Trophäen mit Schilden mit gekreuzten Waffen und mit an Bändern aufgehängten Fahnen im niedrigen Relief und mit allegorischen Figuren im hohen Relief ausgefüllt, die durch Girlanden mit den durch Band- und Akanthus-Dekor abgegrenzten Putti und Kartuschen verbunden sind. Die Fassung der Fläche steht möglicherweise mit der Person des Bildhauers Matthias Tollinger aus der nahen Gemeinde Litoměřice/Leitmeritz in Verbindung, der fähig war, hochwertige Realisierungen von Figuralstuck durchzuführen.
Aus der ungefähr gleichen, oder unwesentlich späteren Periode stammt die mit künstlichem Marmor ausgelegte Nische mit den dazugehörigen Überresten des Mensaabdruckes, die ursprünglich vielleicht zur Platzierung des Reliquiars im Erdgeschossraum diente, in dem sich seinerzeit die Schlosskapelle befunden haben soll.
KIRCHE DER HL. DREIFALTIGKEIT
Die Stuckverzierung der Gewölbe in der Kirche der Hl. Dreifaltigkeit in Zahořany/Zahorzan spiegelt das in fast ganz Europa reifende goldene Zeitalter der Stuckdekoration des Frühbarock wider, die die meisten der freien Flächen der Gewölben langsam bedeckt und die Flächen der Spiegelkartuschen umrahmt, welche für Wandgemälde prädisponiert sind. Typisch für dieses Zeitalter ist die Tiefenmehrplanigkeit und neben den dekorativen Komponenten der Stuckdekoration die Durchsetzung der Anthropomorphisierung unter Anwendung einer deutlichen Monumentalität. Die Grundlage dafür bildet die Betonung der Gewölbekanten und –rahmen mit einem plastischen eierförmigen Ornament, wobei die Gewölbekanten in den plastischen Rosetten zusammenlaufen. Diese Elemente wiederholen sich und wurden wahrscheinlich zumindest teilweise mithilfe der Steingussmethode gestaltet. Diese Ebene wird von niedrigen Reliefs der Innenflächen dazwischen und Flächen der Gewölbestreifen begleitet. In den Innenflächen des Gewölbes des Hauptschiffes und des Presbyteriums wird eine Reliefstuckverzierung mit Motiven des Rollwerkdekors und stilisierten Cherubimköpfchen angewendet, die die ovalen und dreilappigen Kartuschen umrahmt. Die Gewölbestreifen tragen im Presybterium Stuckmotive mit Granatäpfeln, die das Opfer Christi und zugleich die Größe von Gottes Gnade symbolisieren. An den Triumphbögen befinden sich Akanthusstreifen und über den Seitenemporen wachsen aus den Vasen Olivenzweige, wieder mit einem symbolischen Inhalt. Mehr im Raum tritt dann der anthropomorphe Bestandteil hervor, und zwar mit Engelsfiguren, die auf den vorstehenden Konsolen mit Cherubimköpfchen über dem Kronengesims ruhen und sowohl symbolisch als auch mit eindeutig formalem Ausdruck die Gewölbekartuschen unterstützen, als eine Art konstruktives Übergangselement.
Eine so reiche Stuckverzierung verlangte eine gewisse Verteilung der Arbeit unter Decoratori und Plasticatori.[1] An der Ausführung der Figuren, die mit dem Untergrund nicht nur mit dem Rücken, sondern im Wesentlichen auch mit Beinen oder Händen verbunden sind, ist aber gleichzeitig auch eine fast manieristische Steifheit und auch die Angst vor dem Heraustreten der Figuren in den Raum bemerkbar.[2] Diese Elemente verraten, dass die Verzierung unmittelbar mit der Beendigung des Baus in den 50er Jahren des 17. Jahrhunderts entstand und es bleibt die Frage, welchen Anteil daran der angenommene Realisator des Baus hatte.[3] Trotz der späteren Durchführung der malerischen Verzierung der Kartuschen, die zweifellos von Anfang an geplant war und deren Durchführung wahrscheinlich nicht nur vom damaligen Mangel an guten Künstlern bzw. Malern beeinflusst war, sondern auch von den ökonomische Möglichkeiten, handelt es sich eigentlich um das regional erste frühbarocke Gesamtkunstwerk mit einer Dominanz der plastischen Stuckdekoration und überschreitet dadurch in seiner Bedeutung die Grenzen der Region.[4]
Eine weitere der Stuckaturdisziplinen machte sich im Interieur ein Jahrhundert später bemerkbar. Es handelt sich um die Technik des künstlichen Marmors am Hauptaltar und der Architektur der Seitenaltäre, die mit den Mitgliedern der bedeutsamen, in Litoměřice/Leitmeritz niedergelassenen Familie Hennvogel aus Freyenfels bei Bamberg verbunden ist. Familie Hennvogel, die auch um die anspruchsvollste Marmortechnik, die sog. Scagliola, wusste, gehörte zu den wichtigsten Vertretern dieser Kunst. Das Wesentliche an der anspruchsvollen und heiklen Technik ist eine Mischung aus Leimwasser, Alabastergips und Naturpigmenten, die auf eine Unterlage in der Dicke von cirka 1 cm aufgetragen wird. Die aufgetragene farbige Schicht wird nach der Formung und Spannung wiederholt in mehreren Zyklen geschliffen und verkittet und mit einer finalen, transparenten Bearbeitung versehen. An der Altararchitektur der Kirche in Zahořany/Zahorzan wird diese Technik überwiegend in grauen und roten Pastelltönen angewendet, die schon die Rokokozeit repräsentieren.